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9. Januar 2012 1 09 /01 /Januar /2012 04:53

 

Heureka! Ich bin zu ein bisschen zu Hause!


Es fühlte sich tatsächlich wie eine Rückkehr an, als ich endlich durch das Tor schritt. Als wäre ich Ewigkeiten entfernt gewesen, obwohl es keine 10 Tage waren. Aber was dann kam, heb ich mir für später auf, nicht weil es unglaublich spektakulär ist, sondern weil ich noch was zum Nachholen habe. Als ich das Provincial House, und somit meinen Urlaub, verließ begab ich mich zuerst zur SM-Mall in Cebu City, die nah am Hafen, also meinem designierten Schiff, liegt. Ich hab mir gedacht, ich werd jetzt nocheinmal fett für die Jungs einkaufen.

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Aber wisst ihr, die letzten Tage haben mich gelehrt, dass ich das einfache Reisen, und Sachen beobachten sehr gern habe. Deshalb wollt ich mich zuerst ein bisschen irgendwo hinhauen, und wieder einmal kamot einen Kaffee trinken, etwas, das mir beizeiten doch sehr abgeht. Jetzt bin ich natürlich ein Fan von Terassen, da sieht man nämlich wenn man gut sitzt, was sich im Gebäude abspielt, aber auch was außen passiert. Denn schon unser Körper sagt uns, inneres Leben ist ungleich äußeres Leben. Wann schon hat man die Möglichkeit, beides zu beobachten?

Nun, somit kam ich zu einer Premiere. Ich bin nie ein großer Starbucks Fan gewesen, aber eigentlich rein aus Prinzip. Denn ich bin noch nie in einem Starbucks-Lokal gesessen und hab Starbucks Kaffee innerhalb getrunken. Das einzige Mal dass ich überhaupt diesen Kaffee getrunken hab, war per Mitbringsel durch eine andere Person, und da war ich weder abgestoßen noch sonderlich beeindruckt. Es war jetzt kein spezieller Kaffe, ganz einfach, und warum soll ich so was unterstützen?


Starbucks ist das einzige Cafe auf der Terasse im SM, der Rest sind teure Restaurants, also habe ich mich das erste Mal ins Starbucks gesetzt. Ich kann nun endlich bestätigen, dass es absolut nichts besonderes ist. Für mich zumindest nicht. Ich bin da aber vielleicht auch nicht der netteste Konsument, da ich sehr stur immer schwarzen Kaffee ohne Zucker trinke. Selten lass ich mich auf Variationen ein, aber alles andere betrachte ich als gemeine Veränderung des Originalaromas. Jedem das Seine. Zu meinen Beobachtungen gehörte folgendes: Auf den restlichen okkupierten Sitzgelegenheitenwar die Hälfte Amerikaner, 10 % Deutsche, der Rest waren reiche Filipinos. Dass Filipinos reich sind, sieht man auch an ihrer Art und Weise zu zeigen, dass sie Autoschlüssel haben. Die hängen immer protzig irgendwo an ihrem Körper. Weiters habe ich bisher nur amerikanische Männer mit philippinischen Frauen gesehen, nicht umgekehrt. Leider hört das Klischee hier nicht auf, die Männer sind alle übergewichtig, schauen ein bisserl fertig aus (ich habe tatsächlich erst zwei Ausnahmen gesehen), die Frauen sehr hübsch und zart. Ich will niemandem Liebe absprechen, aber das spricht doch für sich selbst, oder?

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Nachdem ich auf derstandard  online über die Feinstaub Probleme nach Sylvester in Österreich, speziell Graz, gelesen habe (Schleichwerbung), hab ich mich gefragt, wie das hier ausfällt. Der Rauch steigt aus den Autos nur so heraus, und nach Sylvester dürfte die Luft hier besonders schlecht sein. Müll wird einfach verbrannt, Grünflächen sind selten, und auf reichere Gegenden oder zentrale Verkehrsstellen beschränkt. Ich sitze auf der Terasse einer Kaffeekette und beobachte die Luft, die in meiner Vorstellung grau ist und gar nicht gut schmeckt.

Pärchen auf den Philippinen küssen sich nicht öffentlich. Die stärkste Art zu zeigen ,dass man in näherem Verhältnis zueinander steht, ist das Händchenhalten, oder zu zweit ein Kind umherführen. Ich finde es immer ein bisschen schade, wie stark Liebe hier noch tabuisiert wird. Es fühlt sich an, wie meine Wahrnehmung, als ich vielleicht 7 Jahre alt war. Andererseits, das führt zu mehr Geheimnistuerei, und vielleicht gibt ihnen das den Kick. Wer weiß.

Als ich mit dem Beobachten fertig war, ging ich auf die Jagd nach verwertbaren Gegenständen für die Jungs. Da alle wie wild auf Jason Mraz abfahren, hab ich nach einer Original-Cd gesucht, die ich in Form einer Limited Edition gefunden habe. Das Album, Ep’s und Sessions, und eine DVD dazu, das freut die Jungs sicherlich. Übrigens muss ich zugeben, gefällts mir inzwischen auch ganz gut, vielleicht wegen einem gewissen persönlichen Wert, den nur eine Person auf dieser Welt kennt, oder weil ich vielleicht doch mehr auf Reggae-Songwriting-Pop stehe, als ich mir zugestehen will. Gekauft.


DVD’s haben wir selten gute, deshalb machte ich mich auf die Suche nach ein paar Filmen, die als Kompromiss funktionieren könnten. Schwer, ich bin da eigentlich nur auf sowas wie Ice Age gestoßen, aber das haben sie leider alles schon gesehen. Ich hab dann einfach aus heiterem Himmel für einen Fantasy Epos namens ``In The Name Of The King`` entschieden, und denke mir, dass er zumindest den Jungs gefallen wird. Weil Krieg und Goblins und Zauberer und so. Und Schwerter mag ich gern. Gekauft.


Als letztes hab ich in einem Ramschladen gestöbert und ein 800 Seiten starkes Buch vollgestopft mit Tagalog –Songs und Welthit- Klassikern seit Sinatra gefunden. Das Cover ist fesch in 80er Manier gehalten, und könnte lächerlicher nicht glänzen. Vielleicht hab ich es deshalb gekauft, und wie die Jungs es dann im Endeffekt in den Händen hielten, wollten sie gleich 15 neue Songs spielen. Erfolg. Gekauft.

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Dann hab ich plötzlich Pizza gesehen, gekauft. Eh klar, wann hab ich das letzte Mal Pizza gegessen? Ewigkeiten ist das her, aber nächste Beobachtung: Die Pizzen hier sind auch nicht wirklich gut. Nach 4 Pizzen im ersten Monat und dieser einen habe ich eine negative Rate von 100%. Nur ein Pizzaservice in Wien hat mir einmal gezeigt, wie es noch schlechter geht. Ich will jetzt keinen Ruf ermorden, doch nehmt euch in Acht, wenn ihr im 15 Bezirk von Wien lebt...

Eine letzte Beobachtung will ich euch noch mitteilen. Ich hab sehr oft angebracht was nicht schön an den Philippinen ist. Das liegt daran dass die gemeinen Sachen leider mehr auffallen und offensichtlicher sind. Was allerdings sehr lobenswert ist, sind ihre Versuche Schulen weit zu verbreiten. In fast jedem größeren Dorf findet man Schulen, und diese sind meistens geräumig, und schauen relativ zur restlichen Umgebung modern aus. Die Innenausstattung ist natürlich nicht zu vergleichen mit unseren Schulen, aber sie gibt ihr bestes. Tische haben sie trotzdem selten, und man findet überall diese Stühle mit einer Schreibfläche auf der rechten Lehne.  Es funktioniert, ist aber alles andere als bequem und noch dazu unfair gegenüber Linkshändern. Bei dieser Gelegenheit will ich auf das Schulsystem aufmerksam machen, das hier gänzlich anders ist. Das wollt ich eh schon öfter machen, habs aber immer vergessen.

Zuallererst: Grundschule ist 6 Jahre, dann folgen 4 Jahre Highschool. Es gibt 4 Semester, die jeweils mit ein, zwei Prüfungstagen enden. Das seltsame daran ist aber die Benotung, die für mich schwer nachvollziehbar ist. Denn die Schlussnote ist nicht 1-5, sondern 1-100, wobei eine Punktezahl unter 75 einem Fünfer gleichkommt. Zwischen 80 und 90 ist Mittelmaß, alles darüber beachtlich. Wir hatten bisher nur einen Jungen, der 73 in Englisch hatte. Hierbei muss aber auch gesagt werden, dass der Englisch Lehrer nicht wirklich in der Lage war, mit mir eine Konversation über die Leistung des Schülers zu halten, was als einer der traurigsten Momente meines Lebens gewesen sein muss. Ich hab es nicht glauben können, dass der keinen geraden Satz in der Sprache die er unterrichtet, herausbringt. Ein paar Schüler haben ganz viele 75er, und da sieht man schon dass die Lehrer zeitweise auch ein schlechtes Gewissen haben, und die Jungs durchlassen. Manchmal kann ich das auch verstehen, denn viele Kinder sind hier mit über 10 Jahren noch in den ersten paar Klassen, wie hilfreich das für ihre Entwicklung ist, bleibt aber zu hinterfragen. Jedenfalls wird aus allen Noten der Durchschnitt ausgerechnet, und der sollte wenn ich mich grad nicht irre, möglichst über 80 sein, dann darf man aufsteigen. Aber das war noch nicht alles, denn die Schule übernimmt in ihrer Benotung auch einen Erzeihungsauftrag, den ich sehr schwer gutheißen kann, deshlab muss ich hier ein bisschen exkursieren.  Bei uns nennt man es Betragen, oder? Das Verhalten, während der Einheiten, ich habs schon fast vergessen. Eine Kategorie, die ich nie wirklich ernst genommen habe, und die auch glaub ich wenigen Schülern bei uns große Sorgen bereitet. Tatsächlich wird das Betragen/Verhalten hier benotet (A bis E), und es gibt mehr Aspekte, als Fächer unterrichtet werden. Es wird also der Charakter von den Kindern in der Schule benotet. Cleanliness, Orderliness, Love To God, Patriotism, Honesty, Creativity, Punctuality – Das sind nur ein paar Charakterbewertungen die mir spontan einfallen. Mich hat das leicht erschüttert, denn ich bin der Meinung dass gerade Dinge wie Religion oder Patriotismus dem Bildungsauftrag der Eltern entsprechen. Ich finde, das gehört nicht in öffentliche Plätze wie Schulen, da es zu stark meinungsbildend ist. Ich hab da einige Zeit darüber nachgedacht, und dann ist mir aber ein logisches Gegenargument eingeschossen. Viele Eltern haben aufgrund des harten Lebens, das manche führen, einfach kaum Zeit ihren Kindern viel Kraft oder Wissen zu widmen. Die Religion ist ohnehin gegeben, die Solidarität zu eigenen Staat hier ebenso. Und die Schulen werden nicht nur als Ausbildungsstätten betrachtet, sondern auch als (erweiterte) Erziehungsinstitution. Ein bisschen ein Elternersatz. Wenn es so auch gerechtfertigt ist, finde ich es nach wie vor absurd, die Ehrlichkeit oder die Flexibilität eines Kindes mit Buchstaben zu bewerten.DSCN9616.JPG


So. Exkurs-Ende. Was ich sonst noch schön finde, da war ich stehen geblieben. Kathedralen, Kirchen und Kapellen. Da geben sie sich sehr viel Mühe, und dementsprechend findet man einige Schmuckstücke. Die Kirchen sind natürlich sehr stark von den Spaniern beeinflusst, deshalb wirken viele Bauwerke wie eingefügt. Copy & Paste. Das bringt mich dann immer wieder zum Nachdenken, warum ich in meinen eigenen Orten immer so ignorant war, was architektonische Ästhetik betrifft. In Österreichs Städten gibt es ja fast einen architektonischen Überfluss. Ich kann mich erinnern, dass ich leider erst in den letzten zwei Jahren angefangen habe, die Gebäude in Klagenfurt auch wirklich zu betrachten. Da wundert man sich dann, wie viel schöner so eine kleine langweilige Stadt werden kann. Manchmal muss man eben den Kopf erheben. Auf den Philippinen sind solche Gebäude jedoch selten zu sehen, auch in den Städten kommt es vor dass man über die Länge von vielen Straßen keine Veränderung wahrnimmt. Wenn dann mal so eine Kirche vorbeifährt, ist man umso gerührter.


Nach der Beobachterei war ich im Schiff. Ich mach es kurz, 13-stündige Nachtsbootfahrt. In Stichwortsätzen: Der Blick in die weite Dunkelheit des Meeres hat was meditatives, Kajütenabendessen war nett, drei Dosen Bier haben meinen Schlaf nicht erleichtert, knappe hundert Menschen in einem engen Schlafabteil . Sonnenaufgang hab ich leider verpasst, weil ich dann doch ein bisschen zu gut geschlafen hab. Und plötzlich bin ich wieder da.

Die Leute haben sich gefreut, dass ich wieder da bin, manche mehr, manche weniger. Überrascht waren sie alle, scheinbar hat Fr. Noel niemandem erzählt dass ich zurückkomme. Allerdings waren die Kinder alle in der Schule, und deshalb hab ich den halben Tag warten müssen. Fr. Noel war glaub ich tatsächlich ein bisschen geknickt, denn er wollte wirklich dass ich am Festival teilnehme. Ich will ja auch, aber ob ich wieder zurückfahren darf, ist eine andere Geschichte.  Als ich die Kinder dann sah, war ich zuerst einmal heftig geschockt. Was 7 Tage ausmachen können. Die Gesichter sind eingefallen, haben ihre Farbe verloren, die Körper noch dünner, was bei manchen fast gar nicht möglich sein kann, die Stimmen krächzend, und alle ein bisschen kränkelnd. Es war auch wieder sehr ungewohnt, bei den Jungs zu sein. Ich hab jetzt eine Woche primär mit Vroni verbracht, beziehungsweise mit mir selbst, und plötzlich wieder da zu sein, war dann etwas fremd, auch wenn ich mich an eben diesem Ort nie wohler gefühlt habe. Das nennt man Gefühlsverwirrung.


Aber charakterlich haben sie sich alle von der besten Seite gezeigt, und waren, wenn auch ein wenig undiszipliniert, sehr neugierig und dauerhaft gesprächsuchend. In dem folgenden Austausch mit den Jungs hab ich übrigens noch mehr über deren Familiensituationen erfahren. Es fehlt wirklich den meisten ein Elternteil. Manche zum Beispiel nennen ihre Adoptivmutter ``Lola``, was Ilongo für Großmutter ist. Da hab ich auch lange gebraucht um das zu überreißen.

Übers Wochenende hat sich die Situation aber wieder so ziemlich normalisiert, also Gutes wie Schlechtes hat sich wieder eingebürgert, und die üblichen Verdächtigen sind in deren alte Rebellionszustände zurückverfallen. Und das ist das Interessante. Wenn man entfernt ist, und die Dinge betrachtet, kommt einen die Lösung immer sehr einfach oder klar vor. Aus der Nähe oder im Moment gedenkst du der geplanten Lösung vielleicht nur kurz, aber es kommt immer anders als man es erwartet. Außer die Betrachtung aus der Entfernung wurde von einem unglaublich genialen Strategen ausgeklügelt, der in mathematischer Absurdität die kleinsten Details in 700 verschiedenen Wegen beachtet, und gegen alles einen geplanten Weg findet, den er sich dann einprägt. Was ich zum Beispiel immer vergesse, zu bedenken, wie die anderen Jungs reagieren könnten, die Teilnehmer an einer problematischen Situation sind. Alles was man sagt und tut, nehmen die Kinder auf, und sie merken sichs.

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Meine Beziehung zu den Salesianern hat sich seit den Weihnachtsmessen (Novena) auch verändert. Ich hab keine Ahnung warum, aber inzwischen sind sie freundlicher zu mir, und wir haben sogar so etwas wie Smalltalk. Mir wird endlich mehr Verantwortung zugetraut, und das führte dazu, dass ich auch wenn die Fathers gerade nicht auswärts sind, den Tagesablauf der Kinder fast im Alleingang leite. Das fühlt sich verdammt gut an. Mein Musiktipp für heute ist, was ich gerade während des Schreibens höre:


 Nämlich Bruce Springsteen - The Wild, The Innocent & The E-Street Shuffle. Noch keine nervigen Kommerzklatschen wie später, dafür aber wunderschön und frech verspielt. Im gleichen Jahr (1973) erschienen, wie ``Greetings From Asbury Park, N.J``, welche eine meiner ersten Platten war. Man macht nichts falsch wenn man sich beide anhört.

 

http://www.youtube.com/watch?v=lX6LmojEWy4


Übrigens ist Father Cyril bereits in Deutschland, also euch näher als ich. Er hat dort irgendein Weiterbildungsseminar, was genau das ist, weiß ich auch nicht. Er bleibt dort in den nächsten zwei Monaten, was wohl die unglücklichste Zeit für Filipinos ist, weil tiefster Winter herrscht.Also kommt mir der plötzliche Symphatie-Wandel der Fathers sehr gelegen. Im großen und ganzen muss ich sagen, ist mein Neujahreseinstand geglückt. Ich freu mich auf die kommenden Zeiten.

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Ich bin gespannt was das Jahr mir so zu bieten hat. Langweilig wird mir aber wahrscheinlich eher nicht. Ich hoff, dass es euch ähnlich geht.  Schöne Woche! Machtsens jut! Viel Wärme! Viel Licht! Viel Freude! Jey!

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