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12. März 2012 1 12 /03 /März /2012 03:38

Ihr kennt das sicher, wenn man 3 Stunden erlebt, die sich anfühlen, als wären es 4 gewesen. Ich habe ja schon ein paar Mal erwähnt, dass ich für die Kinder auch in schulischer Hinsicht als Elterersatz herhalten darf, sprich, ich darf zu diesen ganzen unglaublich freudigen und abwechslungsreichen Meetings gehen. Da habe ich ja nun schon halbwegs eine Routine darin, denn diese Meetings finden doch absurd oft statt. Joebel, einer der Elementaries ist kurz vor seiner ´´Graduation´´ und da gibts dann Abschlussprüfung, Feier, Gottesdienst, Bilderblabla, und so weiter. Muss natürlich alles organisiert werden.

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Nachvollziehbarerweise wird bei solchen Versammlungen meistens Ilonggo gesprochen, bei dem ich nach wie vor nur knapp ein Viertel des Gesprochenen verstehe, vor allem, wenn die Geräuschkulisse sich gegen mich verschwört. Glücklicherweise wird mir aber manchmal ein Übersetzer in Form von Christian, im Boyshome Top-Neurotiker, mit auf den Weg gegeben, und er ist ein Grund warum sich diese 3 Stunden, die sich wie 4 Stunden anfühlten, fast wie 5 Stunden anfühlten. Es fängt am Hinweg an. Sein Problem ist einfach, dass er null, und mit null meine ich null, soziale Sensitivität beherbergt. Wenn er redet, und das tut er ohne Pause, sind seine Themen meistens Fussball, Naruto (ein japanischer Manga/Anime), oder Menschen, die er aus dem Dorf kennt. Das wäre alles halb so tragisch, wenn man ihn leichter verstünde, denn er stottert (wie ein altes, dem Tode nahes Moped... nein, das ist übertrieben, aber ich find den Vergleich lustig...).  Naja, weiters ist das, was er innerhalb dieser Themen von sich zu geben hat, nicht gerade großartiger Gesprächsstoff. Es gibt wenig Langweiligeres, als jemanden bei der Beschreibung normaler, unspektakulärer Fussballsituationen zuzuhören. Er führt einen Monolog, den man allerdings ständig mit verbalen Ausdrücken bestätigen muss, sonst wiederholt er seinen Satz! Es ist wirklich, wirklich anstrengend mit ihm, und jedes Superpädagogen Geduld wäre hier ernsthaft auf die Probe gestellt.


Auch ein passendes Beispiel dafür, dass man als Volontär beizeiten einfach nicht geduldig sein will. Man hat immer den guten Vorsatz, geduldig, einfühlsam, verständnisvoll, und so weiter zu sein, aber ab und zu spielt sich das einfach nicht. In manchen Momenten will man schlicht und einfach ungeduldig, grantig und unfair sein. Ich entwickle dann meistens einen bösartigen Hang zum Zynismus, und kann in meinen Antworten dann auf eine indirekte Art sehr gemein sein. Das passiert aber ganz selten, und das mit dem schlechten Gewissen im Nachhinein konnte ich bisher noch nie abstellen. Ich bin einfach kein guter Bösewicht.

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Der Zynismus kam aber erst später, zuerst kam die Resignation. Der leere Blick geradeaus, eine ungeahnte Länge des Weges, den man fast jeden Tag zurücklegt, und die Hoffnung auf das Verfließen der Zeit. Das Meeting war für 9 Uhr morgens gedacht, was mich auf einen Beginn gegen halb 10 herum spekulieren lies, also lud ich Christian, damit er eine Ruhe gäbe, auf 40 Minuten Internet Cafe ein. Ich erklärte ihm, dass das Internet heute für mich sowas wie das Essen ist, sprich, ich will in Ruhe gelassen werden, und nach ein paar Versuchen, meine Aufmerksamkeit zu erhalten, lies er es endlich bleiben. Dass diese 40 Minuten natürlich wie Wasser zwischen den Fingern zerannen, lässt sich ahnen, und sind ein Grund dafür, dass es vom Gefühl her im Endeffekt doch nicht 5 Stunden wurden.

Jedenfalls begann das Meeting gegen 10, das heißt, wir warteten dann nur noch 15 Minuten, was ok war, denn Christian kannte ein paar Leute, und entlastete meine Seele. Naja, zu diesem Zeitpunkt wars ja noch gar nicht so schlimm, da war ich eben ei nbisschen genervt, und das war ich zumindest früher in Österreich an manchen Tagen bald einmal. Das ist übrigens eine Sache auf die ich gespannt bin , wenn ich zurückkomme – inwiefern sich meine Toleranz gegenüber mich früher nervenden Sachen geändert haben wird. (ich liebe die Vorzukunft!)

Das Sinnlose an diesen Meetings ist, dass eigentlich von Anfang an alles auf der Tafel steht. Also wird eigentlich nur erklärt. Ich habe so schnell wie möglich alles kopiert, und auf ein schnelles Ende gehofft, doch dieser Morgen war meinen Nerven nicht freundlich gesinnt. Unsere Räumlichkeit war der Raum der Kindergartenkinder (ein tolles Wort..), welcher gleichzeitig auch in Benutzung war, was zu einem hohen Lautstärkepegel führte. Normalerweise sind diese Meetings verhältnismäßig friedlich, und der einzige Diskussionspunkt sind die Kosten für diverse Zeugsens. Das ist ja auch nachvollziehbar, denn die Leute sind ja arm, da gehört natürlich das Billigste vom Billigsten rausgeholt. An jenem verhängnisvollen Tag jedoch brach relativ früh ein Streit aus, da die Leute sich nicht auf die Anzahl und die Größe der Fotos einigen konnten. Und da wurde unglaublich viel herumdiskutiert, und ich verstand, eingezwängt, auf einem moderat bequemen Stuhl sitzend, zwischen Wand und Menschen, nur Bruchteile. Christian, als Übersetzer, machte seinen Job großartig, und kommentierte das Offensichtliche, also sowas wie, ´´There are the pictures´´ und zeigte auf die Bilder, oder ´´they are angry´´. Mein Highlight: ´´The deadline is March 9th´´, auf die englische Aussage der Lehrerin ´´The deadline is March 9th´´.

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Jedenfalls ging das mit dem Streit so weit, dass zwei Mütter aufsprangen, und den Kindergartenraum verließen, welcher sich übrigens als der perfekte Ort für dieses Schauspiel entpuppte, denn Ordnung oder Gesprächskultur herrschte hier nicht mehr auch nur ansatzweise. Mitten drin haben sie auch versucht, mich zu inkludieren, mit der Frage, ob Don Bosco einverstanden sei. Dass ich finanzielle Entscheidungen für unser Projekt treffe, liegt jedoch weit über meiner Arbeitsreichweite (es sei denn, ich spende etwas), und gekonnt schob ich die Verantwortung den Fathers in die Schuhe, was mir immerhin die Telefonnummer von Joebels Lehrerin einbrachte. Was jedoch von geringer Relevanz ist.

Irgendwann war zum Glück alles am Ende, und alle froh darüber, und der Lehrerstab rot im Gesicht und frustriert, und alle flüchteten ins Freie. Ich hab mir gedacht, noch einen Sprung ins Internet Cafe zu schauen, weil ich neue Musik hören wollte, und somit habe ich Christian zu einer weiteren halben Stunde Internet verholfen, die für mich sehr ärgerllich verlief, da das Internet lächerlich langsam war. Der Rückweg war wie der Hinweg mit dem Unterschied, dass ich wirklich schon enorm genervt war, und dass ich dann noch Mittagessen mit Christian hatte, löste dann den Zynismus aus, der, glaube ich, ein bisschen zu offen und verständlich war, denn er  bewirkte 10 Sekunden Schweigen und unangenehme Blicke. Das war mir aber da schon egal.


Nun, da die Schule derzeit nur noch halb im Betrieb ist, habe ich zurzeit wieder mehr zu tun, denn die Kinder sind meistens zur Hälfte daheim, oder kommen bereits um 11 aus der Schule zurück. Eben die letzten Schultage. Das gibt auch mehr Platz für Proben und Fussball-Training, das ich nun endlich zu einem Drittel auch leite. Irgendwann im Juni findet wieder ein Turnier statt, und die Aufgabe meiner Kollegen -  Christian, Santini -  und mir, ist es 13 Jungs siegestauglich zu machen. Keine leichter Auftrag, da wir gegen regionale Fussballklubs spielen, ein paar alte Fussballschuhe, und nur zwei Bälle zum Training haben. Die Altersklasse rangiert zwischen 13 und 17, was die stärksten Teams wahrscheinlich auch physisch eine Klasse über uns stellt. Aber der Wille ist da, und inzwischen wissen die Jungs (mit Ausnahme unserer Stürmer) dass Fussball ein Teamsport, und ein Pass kein Fehler ist.

Hier ein kleines Nebendetail. Als am Donnerstag der Vollmond am Horizont auftauchte, war er noch nie so groß. Also, dass war irre, wirklich besorgniserregend nahe. Er warf außerdem ein mystisches violettes Licht auf den Rest des Himmels, was zugleich wunderschön war, aber leicht bedrohlich wirkte. Das ist etwas, das ich noch nie beschrieben habe, obwohl es öfters passiert, also das mit dem Licht. Kennt ihr das, wenn der Himmel einen seltenen Farbton annimmt? In Klagenfurt sieht man das manchmal, ganz selten, wenn der Sahara Wind zu uns kommt. Oder wenn in Sommernächten Sonne, Mond, Erde und Wolken in einem ganz bestimmten Winkel zueinander stehen (so stell ich mir das zumindest vor), eben dieses schöne violette Licht. Aber hier passiert das im Monat doch 3, 4 Male. Das ist immer schön zu beobachten, und hat was Magisches. Dennoch ist mir der Mond noch nie so groß vorgekommen...

Am selben Abend übrigens kam Father Dodoi, ein philippinischer Priester auf Durchreise in unserem Projekt als Besucher vorbei. Ein sehr sympathischer alter Kerl. Sehr ruhig, und wenn er redet, etwas schrullig, aber zugleich ist er unglaublich interessiert, ein sehr geduldiger Zuhörer. Ich mag das. Er ist in einem Projekt in Indonesien tätig, was eine hohe Toleranz voraussetzt, denn immerhin ist es das Land mit der höchsten Dichte an Muslimen. Zwei Prozent sind dort Christen, aber nach Fr. Dodois Aussagen ist dort die Toleranz anderen Religionen gegenüber sehr hoch, was ja bekanntlich leider nicht selbstverständlich ist. Jedenfalls kam ich am Morgen danach mit ihm näher ins Gespräch, während dem Frühstück, und es hat so gut getan dass ich versuche, euch unser Gespräch näherzubringen. Auch deshalb, weil es das erste philosophische Sinierum (ja, ich nenne es so) seit langer Zeit war. Das geht mir ja stark ab, ich brauche fürgewöhnlich meine wöchentliche Portion philosophischen Plapperns, und dass ich da derzeit stark unterernährt bin, lässt sich vorstellen.

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Nun, anfangs war es noch ein Kennenlerngespräch, und da bin ich immer ein bisschen unlocker, denn das ist immer sehr oberflächlich, nicht aber in diesem Fall. Ich hab mich fast so gegeben, wie ich bin, was von einer angenehmen Atmossphäre zeugt. Nach einer Weile des Kennenlernens fragte ich ihn, was er in seinem Urlaub zu tun gedenke. Er sagte mir, er sei auf dem Weg zu seiner Geburtsstätte, wo er später eine Kapelle gegründet hatte. Sein ältester Bruder ist kürzlich verstorben, und sie hätten sich gegenseitig gesagt, derjenige, der früher stirbt, müsse die Knochen des Anderen an diesen Ort zurückbringen. Im Endeffekt wollen alle 7 Brüder und 2 Schwestern in ihrem Tode am gleichen Ort vereint sein. Als er mir dies (ausführlicher) erzählte, kamen wir beide in eine sentimentale Stimmung, die aber ganz und gar nicht unangenehm war. Ich fand es beeindruckend, mit welchem Lächeln er vom Tod redete. Leicht traurig, aber irgendwie friedlich, als wüsste er etwas, das ich nicht weiß. Das ist schwer zu vermitteln, aber ich empfand in diesem Moment Mitgefühl und enormen Resepkt gleichzeitig. Außerdem fand ich die Vorstellung schön, dass eine Familie, einst jung und voller Leben zu leben, gemeinsam alt wird, und sich einander treu bleibt. Was so ein Leben zu bieten hat kann ich trotz meiner 22 Jahre noch immer schwer begreifen.

In diesem Sinne kamen wir zu Musik, und wir sprachen über die Wichtigkeit des Fühlens. Als Songwriter wie auch als Empfänger. Über Nehmen und Geben, und über die Ergänzung des eigenen Seins durch andere Personen. Absolut passend dazu fing er dann an, einen seiner Lieblingssongs zu singen, nämlich ´´No man is an island´´. Gelesen muss das ziemlich kitschig klingen, der Moment hat aber einfach nur gepasst.

In weiterer Folge begaben wir uns in die psychologische Philosophie, und unterhielten uns über die Wechselwirkungen von Körper, Geist und Seele. Er glaubt an einen jeweils verschiedenen Instinkt in Ratio, Herz, und Körper. Ich redete von Kopf und Herz als primäre körperliche Institutionen, mit dem Bauch, also der Intuition, als Entscheidungsorgan. Da diskutierten wir dann eben herum, wie sichs gehört, aber mit einer Gesprächskultur und einem gegenseitigen Respekt, das passiert dir nicht oft in einem Kennenlerngespräch. Hat mir sehr gut getan, wieder einmal über den ganzen innermenschlichen Quargel zu plaudern.


Sein Grundsatz jedenfalls, das hat sich wie ein roter Faden durch unser Gespräch gesponnen, ist die Geduld. Vor allem im Bezug auf unsere schlechten Eigenschaften. Er habe lange gebraucht, um die zahlreichen negativen Eigenschaften in dieser Welt und ihm selbst zu akkzeptieren. Sie seien ebenso natürlich wie jeder Baum, und haben viel Schönes, was wir zuerst nicht sehen. Manchmal muss man diese Triebe oder was auch immer aber kontrollieren, und dazu braucht man Geduld. So im Ungefähren seine Worte. Ich will dem noch das Attribut des Beobachtens hinzufügen.

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Man mag darüber denken was man will, aber ich respektiere die Worte eines Mannes, der dem Tod mit einem Lächeln begegnet. Vielleicht habt ihr den Eintrag (Dezember) zum Caroling gelesen, in dem wir mit den Kindern einen alten japanischen Mann und seine philippinische Frau besucht haben. Dieser strahlte eine unglaubliche Ruhe und Weisheit aus, wie ich sie vorher nur aus seltsamen Kung-Fu Filmen kannte. Irgendwie waren die Zwei sich in dieser Hinsicht ähnlich. Vielleicht ist es genau das, was diese Persönlichkeiten so eindrucksvoll hinterlässt – ihr Leben zu schätzen. So eine Art superlatives Schätzen. Anders kann ich es nicht beschreiben.

Genug jetzt, abschließen will ich nämlich mit meinem neuen Bandnamen. Ich weiß noch nicht, ob er den Jungs gefällt, aber meiner Meinung nach strahlt er Kraft, Jugend, Mysteriöses und Style aus  -

 

Power Strangers!!!!

Supergoodbye!

 

               

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